der emotionalen Beziehung begründet, die mit einer Tochter möglich ist. Nur eine Tochter, so die unausgesprochene Erwartung, bringe von Natur aus die Neigung zu emotionaler Nähe mit sowie die Fähigkeit, sich an Geburtstage zu erinnern. Schon vor ihrer Empfängnis waren die Söhne also von der Verpflichtung befreit, zurückzurufen oder an den Geburtstagsstrauß zu denken. 588
Die genderspezifischen Erwartungen setzen sich nach der Empfängnis fort. Die Soziologin Barbara Rothman bat eine Gruppe von Müttern, die Bewegung des Kindes in ihrem Bauch in den letzten drei Monaten der Schwangerschaft zu beschreiben. Bei den Frauen, die das Geschlecht ihres Babys während der Schwangerschaft nicht kannten, zeichnete sich in den Beschreibungen kein bestimmtes Muster ab. Dagegenbeschrieben Frauen, die das Geschlecht ihres Babys kannten, die Bewegungen von Söhnen und Töchtern unterschiedlich. »Aktiv« waren alle, doch die männliche Aktivität wurde eher mit Attributen wie »energisch« und »kräftig« belegt (wozu auch das gehörte, was Rothman scherzhaft als »John-Wayne-Fötus« bezeichnete – »ruhig, aber kraftvoll«). Die Aktivität eines weiblichen Fötus hingegen wurde mit gemäßigteren Termini belegt: »Die Bewegungen der Mädchen wurden als nicht gewalttätig, nicht übermäßig energisch, nicht allzu lebhaft charakterisiert.« 589
Und dann liegen uns noch die interessanten Erfahrungen der Pädagogin Kara Smith vor, die auch in der Frauenforschung aktiv war und sich während ihrer Schwangerschaft immer wieder Notizen über ihre Gefühle und Gedanken machte. Während der gesamten neun Schwangerschaftsmonate hielt Smith sämtliche Wörter und Gefühle fest, die sie dem ungeborenen Baby mitteilte. Im sechsten Schwangerschaftsmonat klärte eine Ultraschalluntersuchung sie über das Geschlecht des Babys auf:
Es war ein Junge. Er war jetzt »kräftiger« als das Kind, das ich noch vor einer Minute gekannt hatte. Er musste nicht mit »Kleines« angeredet werden oder ähnlich zärtlichen, weichen Wörtern. … Ich sprach jetzt in einer tieferen Stimmlage zu ihm. Meine Stimme klang nicht mehr so weich. Der Ton wurde artikulierter, kürzer; davor hatte ich höher, weiblicher gesprochen. Ich wollte, dass er »stark« und »sportlich« wurde, deshalb musste ich zu ihm in stereotypisch »starkem«, »maskulinem« Tonfall sprechen, um seine »angeborene Stärke« zu fördern.
Was Smith bei dieser Erfahrung am meisten verblüffte, war der Umstand, dass eine Frau wie sie, der die negativen Folgeneiner stereotyp an Geschlechtsunterschieden orientierten Sozialisierung ja durchaus bewusst waren, in ihrer Reaktion auf ihr Baby unwillkürlich auf Stereotype zurückgriff. »Ich war ehrlich gesagt regelrecht schockiert über mein Verhalten«, berichtet sie. Sie war ja nicht irgendeine Mutter, sondern gehörte zu den Müttern, die sich als erklärte Feministinnen mit Frauenforschung beschäftigt hatten, die Spezies also, die in den Abhandlungen über die Irrtümer der genderneutralen Kindererziehung so prima als Witzfigur taugt; und ausgerechnet sie musste bei sich selbst feststellen, dass sie ihr Kind schon vor seiner Geburt in eine genderspezifische Richtung sozialisierte. 590
Das ist nun zwar lediglich die Erfahrung einer einzelnen Person. Allerdings wird Smith’ Beobachtung, dass nämlich ihr Verhalten ihre Werte konterkariert, von mehreren Studien bestätigt. Wenn all unsere Handlungen und Urteile auf reflektierten, bewusst gewählten Überzeugungen und Werten beruhen würden, dann ginge es hier auf der Erde nicht nur besser zu, auch dieses Buch wäre dann entschieden kürzer. Sozialpsychologen, die sich mit der Frage befassen, wie implizite und explizite Prozesse zusammenwirken, wenn es um die Entstehung unserer Wahrnehmungen, Gefühle und unseres Verhaltens geht, verweisen auf die immense Rolle dessen, »was sich in unserem Denken und Fühlen ohne unsere ausdrückliche Zustimmung abspielt«. 591 Das wirkt sich vor allem
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